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Tramadol

Tramadol und Hypoglykämie

Dass es einen Zusammenhang zwischen Tramadol und Hypoglykämie (Unterzuckerung) geben könnte, wurde schon lange vermutet. Eine britische Studie liefert nun den Beweis: Die Behandlung mit dem Wirkstoff geht mit einem erhöhten Risiko einher, eine schwere Unterzuckerung zu erleiden. Das zeigt eine in der Fachzeitschrift »JAMA Internal Medicine« veröffentlichte Auswertung der Daten. Die Ergebnisse der Analyse decken sich mit einer Reihe von Fallberichten, die zuvor in Frankreich für Aufsehen gesorgt hatten. Da der Wirkstoff nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fällt, ist er leicht erhältlich und weit verbreitet.

Tramadol und Hypoglykämie – ein zu wenig beachtetes Risiko

Der Wirkstoff wurde bereits in den 1970er Jahren von der Grünenthal GmbH in Aachen entwickelt. Sein großer Erfolg stellte sich aber erst viele Jahre später ein. Im Juni 2010 wurde ein anderes Schmerzmittel, Dextropropoxyphen (Develin®, Darvon®), von der EMA wegen eines erhöhten Mortalitätsrisikos verboten. In der Folge stiegen die Verschreibungen von Tramadol sprunghaft an.

Warum das in Ungnade gefallene Medikament mehr Todesfälle verursachte als andere, wusste damals noch niemand. Störungen der Atemregulation im Zentralnervensystem galten angesichts der geringen Stärke des Wirkstoffs als wenig plausibel. Die Analyse französischer Daten, die im »British Journal of Clinical Pharmacology« veröffentlicht wurden, deutete auf Hypoglykämien hin. Die Arbeit zeigt auch, dass ein ähnlicher Zusammenhang zwischen Tramadol und Hypoglykämie besteht, allerdings mit etwas geringerer Inzidenz. Typisch für beide Substanzen ist, dass die Probleme immer in den ersten Tagen der Therapie auftreten, unabhängig davon, ob die Patienten Diabetiker sind oder nicht.

Datenauswertung

Jean-Pascal Fournier vom Jewish General Hospital in Montreal (Kanada) hat das Problem in einer Auswertung des United Kingdom Clinical Practice Research Datalink (CPRD) untersucht. Sie enthält Daten von rund 13 Millionen Patienten britischer Hausärzte, darunter 334.034 Personen, die Tramadol oder Codein einnahmen.

Ein Blick in die HES-Daten, die auch die Gründe für Krankenhausaufenthalte enthalten, zeigte, dass 1105 Patienten der Gesamtgruppe (einschließlich 112 Verstorbener) wegen eines zu niedrigen Blutzuckerspiegels im Krankenhaus behandelt worden waren. Ein Vergleich der Fälle mit jeweils 10 Kontrollen ergab ein um 52 % höheres Risiko für Tramadol im Vergleich zu Codein. In den ersten 10 Tagen der Therapie zeigte sich ein um den Faktor 2,61 erhöhtes Risiko. Für Fournier gibt es dafür einen biologisch plausiblen Grund: Tramadol wirkt als µ-Opioid-Rezeptor-Agonist. Von diesen Substanzen ist bekannt, dass sie den Blutzucker senken. Außerdem hemmen sie die Wiederaufnahme von Noradrenalin und Serotonin, was „viele Konsequenzen“ für den Zuckerstoffwechsel hat.

Häufigkeit

Die oben genannten Probleme treten zwar nur bei 7 von 10.000 Patienten auf, doch angesichts des in vielen Fällen tödlichen Ausgangs ist das Risiko nicht von der Hand zu weisen. Einige Forscher gehen von einer wesentlich höheren Dunkelziffer aus. Bei Diabetikern werden Probleme mit dem Blutzucker in der Regel auf ihre Erkrankung zurückgeführt. Bei Patienten ohne Diabetes wird eine Hypoglykämie bei einer Verschlechterung des Zustands oft nicht in Betracht gezogen und bleibt unerkannt. Hinzu kommt die unbekannte Zahl von Personen, die das Medikament rezeptfrei kaufen. Es wird sich zeigen, ob diese Ergebnisse zu einer Neubewertung des Risikoprofils durch die Behörden führen werden.

Quelle und weitere Informationen

Lewis S. Nelson et al.: Tramadol and Hypoglycemia: One More Thing to Worry About. (JAMA Internal Medicine, Februar 2015, englisch)


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2 Kommentare

  1. […] Dazu zählen unter anderem alle mittelstarken bzw. schwach wirksame Opioide wie Tilidin oder Tramadol. Starke Opioide wie Morphin oder Fentanyl gelten als Betäubungsmittel. Für sie gilt eine […]

  2. […] Tramadol und Hypoglykämie. (schmerzmittel-wirkstoffe.com, Oktober 2018) […]

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