Tilidin-Missbrauch bei Jugendlichen und in der Rap-Szene

In der Rap- und Hiphop-Szene genießt das Schmerzmittel Tilidin den Ruf der ultimativen Lifestyle-Droge. Ausgehend von den USA schwappt der Trend nun auch nach Europa über. Ärzte warnen, dass die Risiken oft nicht ernst genommen werden. Besonders verbreitet scheint der Tilidin-Missbrauch bei Jugendlichen aus prekären Verhältnissen zu sein.

Titelbild: Rapper „Capital Bra“ bei einem Auftritt 2018 (Foto: Stefan Brending, Lizenz: Creative Commons by-sa-3.0 de)

Tilidin in der Jugendkultur

„Gib mir Tilidin, ja, ich könnte was gebrauchen!“ – So lautet die Hookline eines gemeinsamen Tracks von Capital Bra und Samra, die zugleich die textliche Kernaussage des Songs prägt. Auch Bonez MC greift das Thema in „Tilidin weg“ auf, neben vielen anderen Künstlern. Vor allem in der Rap- und Hiphop-Szene erfreut sich der Stoff wachsender Beliebtheit.

Besonders gefährdet sind Jugendliche und junge Erwachsene aus prekären sozialen Verhältnissen und zerrütteten Familien. Häufig spielen sexuelle Missbrauchserfahrungen eine Rolle, aber auch Armut, Gewalt oder Alkohol- und Substanzmissbrauch der Eltern. Opioide wie Tilidin vermitteln für kurze Zeit ein Gefühl der Geborgenheit, das diese Jugendlichen vielleicht nie erfahren haben. Wenn das Opioid dann noch in populären Rap-Songs verherrlicht wird, kann das verheerende Folgen haben.

Die angenehme Wirkung des Schmerzmittels führt dazu, dass Menschen nach der ersten Erfahrung oft den Wunsch verspüren, die Wirkung erneut zu erleben. Doch es gibt ein Problem: Tilidin macht süchtig. Zum einen gewöhnt sich der Körper mit der Zeit an die Wirkung, so dass immer größere Mengen benötigt werden. Zum anderen wird das psychische Verlangen nach der Substanz immer größer. Irgendwann dient es nicht mehr nur der Entspannung oder dem Sicherheitsgefühl, sondern der Konsum wird zum Selbstzweck. Es wird immer öfter und immer mehr konsumiert, obwohl sich das Leben dadurch negativ verändert. Der Entzug kann je nach Vorgeschichte ähnlich quälend sein wie bei Heroin, gekennzeichnet durch starke Muskelschmerzen, Schwitzen, Zittern, Übelkeit und Erbrechen.

Tilidin-Missbrauch bei Jugendlichen: Starker Einfluss der Rap-Idole

Rainer Thomasius, Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, berichtet, dass bei den Jugendlichen, die in seiner Abteilung aufgenommen werden und Tilidin einnehmen, das Opioid im Laufe der Zeit zur dominierenden Droge geworden ist. Den Einfluss der Rap-Szene sieht er kritisch, da sich Jugendliche gerne mit ihren Idolen identifizieren und deren Verhalten nachahmen.

Dabei ist Tilidin als Rauschmittel kein neues Phänomen. Wie Codein oder Kokain ist es seit Jahren präsent und wird immer wieder in Songs und Videos verherrlicht. Aber auch außerhalb der Musik ist es in bestimmten Kreisen seit langem bekannt, zum Beispiel in Sportarten, bei denen es zu körperlichen Auseinandersetzungen kommt. Die Droge macht angstfrei, risikofreudiger und schmerzunempfindlicher – ideal für Fußballer, Boxer, Rugbyspieler und viele andere Athleten.

Belastbare Zahlen zum Missbrauch von Tilidin bei Jugendlichen liegen jedoch kaum vor. Aus dem Arzneimittelreport 2016 geht hervor, dass der Absatz von Opioid-Analgetika zwischen 2005 und 2015 um 30 Prozent gestiegen ist. Zu dieser Substanzgruppe gehört auch Tilidin. In den Jahren 2017 bis 2019 war der Anstieg der abgegebenen Tilidin-Menge in der Gruppe der 15- bis 20-Jährigen noch stärker: Sie soll laut einer NDR-Umfrage in diesem Zeitraum um 300 Prozent gestiegen sein. Die Zahlen sind zwar umstritten, aber auch der GKV-Spitzenverband und die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände sehen ein wachsendes Problem.

Tilidin kaufen? Nichts einfacher als das

Bei der Beschaffung spielen Angebote im Internet eine immer größere Rolle. Shops, in denen man Tildin rezeptfrei kaufen kann, gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Einige Experten fordern nun, die Substanz als Betäubungsmittel einzustufen. Dies würde zwar die legale Beschaffung erschweren, ob dies aber der richtige Weg ist, um den Schwarzmarkt auszutrocknen, wird vielfach bezweifelt.

Quellen und weitere Informationen

• Rapper als Vorbilder – Neue Lifestyle-Droge bei Jugendlichen. (welt.de, 28.09.2020)
• Experten warnen vor Tilidin-Missbrauch. (n-tv.de, 28.09.2020)